Die Geschichte der Firma Beckerath


Rudolf von Beckerath wurde am 19.02.1907 in München geboren. Er stammte aus einem künstlerischen Hause: der Vater war Maler, die Mutter Pianistin. Im Jahre seiner Geburt siedelten die Eltern nach Hamburg über, wo Rudolf von Beckerath aufwuchs, die Schule besuchte und sich zunächst für die Laufbahn eines Maschinenbauingenieurs entschied.

Unter dem Eindruck der Zeugnisse norddeutschen Orgelbaus, vor allem der Orgel von Arp Schnittger, brach Beckerath seine Lehre ab und beschloß, Orgelbauer zu werden. Als vorbereitende Ausbildung erlernte er auf der Landeskunstschule in Hamburg Kunst- und Möbeltischlerei und betrieb dabei im Selbststudium die theoretischen Grundlagen des Orgelbaus, erbaute aber auch im Keller des Elternhauses eine kleine Hausorgel, die bei Konzerten und einer im Hause Beckerath veranstalteten Radiosendung erklang.

Zur endgültigen Ausbildung ging Rudolf von Beckerath auf Empfehlung von Hans Henny Jahnn nach Frankreich und trat im Januar 1929 in die Orgelbauanstalt von Victor Gonzales in Chatillon sous Bagneux bei Paris ein, weil dort noch mechanische Schleifladenorgeln gebaut wurden. Er schrieb:
"Man verstand noch etwas vom Bau mechanischer Trakturen. Obwohl damals schon die Abkehr von dieser Bauweise ... erkennbar war, so war doch das handwerkliche Können noch vorhanden... Die alte mechanische Traktur, also die starre, über Winkel und Wellen geführte Verbindung zwischen Taste und Pfeifenventil, arbeitet nicht nur ohne Zeitverzögerung, sie tut viel mehr als das, sie erlaubt nämlich mittels differenzierten Anschlags den Anlaut der Pfeife, ihren Einschwingvorgang, zu beeinflussen".

Nach nicht ganz 2 1/2-jähriger Ausbildung ging Rudolf von Beckerath für ein Jahr als Intonateur zu Frobenius & Co. in Lyngby bei Kopenhagen. In dieser Zeit arbeitete er selbstständig beim Bau der großen Orgel in der Frauenkirche zu Kopenhagen. 1931 rief ihn die französische Firma nach Paris zurück, er wurde Teilhaber und die Firma übernahm ein Patent von ihm. Er schreibt:
"Meine Aufgaben erstreckten sich damit auf die Mitführung des Betriebes. Beim Auf- und Ausbau des noch verhältnismäßig jungen Unternehmens habe ich weitgehendst mitgearbeitet. So wurde die Fabrikation von Labial- und Zungenstimmen, die vorher von auswärts bezogen wurden, von mir neu eingerichtet, eine Schlosserwerkstatt angegliedert und verbesserte Arbeitsmethoden eingeführt. Daneben selbstständiges Wirken in Entwurf und Konstruktion. Als sich 1935 die politischen Verwicklungen immer deutlicher abzeichneten und sich insbesondere deutschen Firmen in Frankreich bzw. französischen Firmen mit deutschen Teilhabern gegenüber ein gewisser Boykott bemerkbar machte, so daß geschäftliche Einbussen eintraten, entschloß ich mich nach freundschaftlicher, gegenseitiger Vereinbarung meine vertraglichen Bindungen zur Firma zu lösen."

Im Jahre 1936 kehrte Rudolf von Beckerath nach Deutschland zurück und übte zunächst die Tätigkeit eines freiberuflichen Sachberater für Orgelbau in Hamburg aus. Die Tätigkeit umfaßte Planung, Konstruktion und Bauleitung bei Neu-, Umbau- und Wiederherstellungsarbeiten von Orgelwerken. Ab November 1938 übte er gleichzeitig auch eine amtliche Tätigkeit als Sachverständiger für das Orgel- und Glockenwesen im Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten aus. Dazu siedelte Rudolf von Beckerath 1939 nach Berlin über, wurde dort 1941 zur Wehrmacht einberufen und geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft. Im Mai 1946 wurde er entlassen und kehrte in seine Geburtsstadt München zurück, in dessen Nähe seine Familie inzwischen wohnte.

In die Zeit als Sachberater in Hamburg fällt der Bau der Orgel in Hamburg-Othmarschen (Christuskirche), die die Firma Sauer nach Beckerath's Angaben und unter seiner Leitung erbaute und deren Intonation Beckerath allein ausführte.

Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft nahm Beckerath zunächst seine Tätigkeit als Orgelsachverständiger wieder auf, wirkte mit bei der Planung und Sachberatung des Orgelneubaus in Hofkapelle der Münchner Residenz und erhielt von der Landeskirche Hannover 1946 den Auftrag, alle noch vorhandenen Denkmalsorgeln in ihrem Bereich aufzunehmen, zu vermessen und zu beschreiben.

Gleichzeitig unternahm er Anstrengungen, um sich als Orgelbauer selbstständig zu machen. Er kehrte wieder nach Hamburg zurück und mußte, um sich niederlassen zu können, die Meisterprüfung nachholen, welche es in Frankreich nicht gab, in Deutschland aber Vorschrift war, seit die Nazis die Gewerbefreiheit abgeschafft hatten. 1949 konnte er dann seine eigene Firma errichten.

Gleich die erste große Orgel für die Hamburger Musikhalle mit 59 Registern, 4 Manualen, Schleifladen und mechanischer Spieltraktur war 1951 ein bemerkenswerter und aufsehenerregender Neubau.

Sein Bestreben von Anfang an war es, möglichst viel selbst herzustellen. So wurden schon 1949, basierend auf seinen Erfahrungen in Frankreich, die Rohrwerke in eigener Fertigung hergestellt.

Unter stetiger Vergrößerung von Anfangs 6 Mitarbeitern wurde 1956 eine Pfeifenwerkstatt eingerichtet und alle Labialpfeifen selbst hergestellt.

Eine geographische Ausweitung erfolgte ab 1957 mit dem Bau einer 4- manualigen, rein mechanischen Orgel für Cleveland/USA, was dort ein absolutes Novum darstellte. Das größte Instrument wurde 1960 mit 78 Registern und 5 Manualen, ebenfalls mit mechanischer Spieltraktur, in Montreal/Kanada gebaut.

Heute stehen Beckerath-Orgeln in vielen Ländern, so außer in den USA (Hawaii und andere); auch in Australien (Sydney ), Kanada (Montreal) in Kroatien (Dubrovnik), in Südafrika (Kapstadt), in Japan (Kyoto, Tokyo und andere), in Polen (Nova Huta); in Indien (Bombay); in Russland (Krasnodar).

Eine weitere, wichtige und interessante Aufgabe ist das Restaurieren von alten Orgeln. So wurden im Laufe der Jahre 26 historische Instrumente restauriert, darunter die berühmten Arp-Schnitger Orgeln in Steinkirchen, Cappel und Mariana/Brasilien.

1976 starb der Firmengründer. Der Betrieb wurde in eine GmbH umgewandelt und ging zum einen Teil an seine Frau Veronika von Beckerath, zum anderen Teil in die Hände dreier seiner engsten Mitarbeiter über, die einen großen Anteil am Fortbestand der Tradition Rudolf von Beckerath haben. Durch die Verwendung von besten Hölzern und Materialien, durch den Bau von sensiblen Trakturen und nicht zuletzt durch höchste Intonationskunst entstanden und entstehen Orgeln von größter Qualität. In diesen Jahren wurden die Techniken vervollkommnet, die eine Revolution im modernen Orgelbau bedeuteten. Die 30 Mitarbeiter sind ständig bemüht, die Forderungen des modernen Orgelbaus mit den historischen Traditionen zu vereinen.

Nachdem 1987 der Geschäftsführer Helmut Kleemann aus gesundheitlichen Gründen und 1990 Frau Herta Deichmann in den Ruhestand gingen, übernahm der ehemalige Schüler des Herrn Rudolf von Beckerath, Orgelbaumeister Timm Sckopp, die Führung des Unternehmens als Geschäftsführer. Mit der kaufmännischen Leitung wurde im Jahre 1992 die Mitarbeiterin Frau Christel Gläsemann betreut.

Im Jahr 1995 entschied sich Frau Veronika von Beckerath aus Altersgründen, die Firma zu übergeben.
Orgelbaumeister Timm Sckopp wollte ebenfalls das Ruder der Firma in jüngere Hände geben und verpflichtete seinerseits den langjährigen Mitarbeiter Rolf Miehl, die orgelbauspezifische Verantwortung zu übernehmen. Für den kaufmännischen Bereich konnte der Kaufmann Holger Redlich gewonnen werden, dem seit Anfang 1996 die Geschäftsführung obliegt.

Im Oktober 2001 wurde die Firma, mit Unterstützung des Herrn Dr. Whitney Reader als Investor und Orgelliebhaber, durch Holger Redlich und Rolf Miehl, übernommen.